Am Wochenende ging im Europa-Park Rust das Musikfestival Rolling Stone Park über die Bühne. Während das Schwesterfestival am Weißenhäuser Strand bereits seit einigen Jahren zu einer der zuverlässigsten Adressen für geschmackssichere Popmusik aus dem In- und Ausland zählt, fand sein süddeutsches Pendant dieses Jahr zum ersten Mal im Europapark statt.
Die Wahl der Location wurde im Vorfeld der Veranstaltung bereits ausführlich diskutiert, doch hatte man sich als Besucher einmal mit der vollkommenden Künstlichkeit der Umgebung arrangiert, offenbarten sich auch die Vorteile des Areals: Die Wege zwischen den vier Bühnen waren lachhaft kurz, die Besucher, durch die Revisionsarbeiten im Park, bequem in den leeren Hotels untergebracht und schließlich die sanitäre Situation – ein Traum aus Porzellan und Goldimitat. Nein, komfortabler kann man ein Popmusikfestival wirklich nicht gestalten. Was letztlich auch den Altersschnitt vor Ort erklärt. Meine Eltern, die am zweiten Tag für Element Of Crime angereist kamen, fügten sich jedenfalls wunderbar in die grau melierte Menge.
Beinahe ungemütlich wurde die demografische Situation erst, als sich der Musiker Cass McCombs während seines großartigen Auftritts über die “weird old men” im Raum wunderte und das Publikum auf einmal betroffen ruhig wurde. Die Atmosphäre entspannte sich erst wieder, als sich herausstellte, dass er bloß die Portraits der Bundespräsidenten meinte, die seitlich den Ballsaal Berlin zieren. Dass der absurd konsequente Themenraum als Venue, inklusive Bundestagsgemälde im Bühnenhintergrund, tatsächlich einigermaßen weird wirkte, erklärt sich im Grunde von selbst. Aber wie gesagt – reine Gewöhnungssache. Schon zwei Stunden später fand ich den Raum mit seinem roten Teppich und den opulenten Kronleuchtern eigentlich ganz hübsch.
Unendlicher Spaß
Noch ein wenig absurder wurde es dann auf der großen Bühne: Der US-Songwriter Father John Misty sinniert im Song “Total Entertainment Forever” über eine Zukunft, in der sich die Menschheit in D. F. Wallace-Manier zu Tode unterhalten hat. Dass der Musiker dabei im „ConfertainmentCenter“ einer der größten Freizeitparks Europas steht, kann wahlweise als schizophrene oder subversive Geste verstanden werden. Beschlossen wurde der Tag von den Flaming Lips, die beim Rolling Stone Park eines ihrer raren Europa-Konzerte spielten. Ihr ästhetisch zwischen Kindergeburtstag und CSD-Parade pendelnder Auftritt fügte sich seltsam organisch in diese Kunstwelt der hedonistischen Reizüberflutung ein.
Der zweite Tage begann für mich mit einer Fahrt in der Schweizer Bobbahn – neben dem neuen VR-Flugtheater Voletarium, eine der Attraktionen, die am Mittag im Park geöffnet hatten. Vor mir im Wagen saß der Komiker Oliver Polak, der später in einem Kinosaal aus einer Sammlung seiner musikbezogenen Texte las. Neben Anekdoten über Motorpsycho, Blumfeld und Udo Jürgens erfuhr man, dass er seit der Böhmermann-Kontroverse immer ein Pfefferspray mit auf die Bühne nimmt.
Element Of Crime gegen die bequemen Betten
Zu den musikalischen Highlights des Tages zählte der immer bombastischer werdende Breitwand-Indie-Rock von Will Toldedo und seiner Band Car Seat Headrest. Tatsächlich ist es mir ein Rätsel, warum der glasklare Sound des US-Musikers immer noch mit dem Attribut Lo-Fi assoziiert wird.
Den Festivalabschluss bildeten dann Element Of Crime, die kurzerhand für den eigentlich geplanten Headliner Ryan Adams einsprangen. Element of Crime Sänger Sven Regener ließ es sich zu Beginn des Sets nicht nehmen, die Architektur zu kommentieren („schon bizarr“) und sich über ihren späten Slot zu wundern („fast schon wieder morgen“). Das letzte Mal, dass sie um halb 12 auf der Bühne standen, sei irgendwann in den 80ern gewesen. Die Band spielte sich dann aber trotzdem bis weit nach Mitternacht routiniert durch ihr neues Album und einige der unvermeidlichen Klassiker aus über 30 Jahren Bandgeschichte.
Dass der Saal sich gegen Ende zunehmend leerte, lag sicherlich nicht am Konzert, sondern an den zu bequemen Hotelbetten, die ganz in der Nähe verlockend warteten. Schon am Vortag sang Cass McCombs im ersten Song die weisen Zeilen, die mir ein vorschnelles Urteil hier aber streng verbieten: “Don’t forget the old ones, too / someday that might be you”. Bis zum nächsten mal also.
von Julian Tröndle
Fotos: Maximilian HeßVeröffentlicht am 19. November 2018