Sebastian23 ist Poetry-Slammer, Solokünstler, Musiker, Moderator und Autor. Bevor er all das wurde und sein Leben ins Rampenlicht rückte, war er an der Uni Freiburg Student der Philosophie. Woher die 23 kommt und was es mit der literarischen Boygroup “Smaat” auf sich hat.
Hallo Sebastian! Du hast in Freiburg Philosophie studiert. Hattest du vorher einen Plan was du damit später machen möchtest?
Bei mir ist Philosophie einfach immer schon ein Thema gewesen, als Kind haben mich philosophische Fragen interessiert wie: Wo alles herkommt, wo alles hingeht und warum es überhaupt etwas gibt und nicht viel mehr Nichts. Irgendwann bin ich dann darauf gestoßen, dass das tatsächlich Fragen sind, die nicht bei mir als erstes auftauchen, sondern zu denen sich schon seit Jahrtausenden Menschen Gedanken machen. Dann habe ich gedacht: „Ach, das ist ja cool, dann schau ich doch mal was die alle so geschrieben haben“ – und bin so aus reinem Interesse am Thema Philosophiestudent geworden.
Und wie bist du dann zum Poetry-Slam gekommen?
Ich kam zum Poetry-Slam, weil mir ein Kommilitone davon erzählte und, zugespitzt formuliert, sagte: „Du redest doch so viel, gehen wir doch zum Poetry-Slam, vielleicht möchte das da jemand hören“. Ich habe schon sehr früh angefangen, eigene Texte zu schreiben, mir Gedichte auszudenken. Da war Poetry-Slam einfach eine Möglichkeit, ein Publikum zu erreichen und mal nicht mehr nur für sich selbst und vielleicht den engsten Freundeskreis und Mutti zu schreiben.
Du warst Teil einer “literarisch-performativen Boygroup”, was ist das?
Ja, genau, “Smaat”. Die erste Poetry-Slam-Boygroup, mittlerweile nicht mehr die einzige. Wir haben uns zu viert zusammengetan mit der Grundidee, wenn wir zu viert unterwegs sind, können wir mit unseren Einzeltexten und vielleicht ein paar gemeinsamen Texten eine schöne Show machen. Über die Jahre hat sich das dann so entwickelt, dass wir hauptsächlich gemeinsame Texte vorgetragen haben, zum Teil auch Lieder. Und weil wir alle vier Jungs waren, haben wir gedacht, nennen wir uns Boygroup, war ein bisschen frech, wir waren alle schon über 20.
Das wirst du bestimmt häufiger gefragt aber: Warum Sebastian23?
Ja, das werde ich tatsächlich häufig gefragt. Hier in Freiburg, als ich anfingt mit dem Poetry-Slam, gab es so wenige Leute die mitgemacht haben, dass man sich einfach mit seinem Vornamen angemeldet hat. Irgendwann gab es aber mehrere Sebastians und dann hat der Moderator einfach meinen Namen ergänzt durch mein damaliges Alter.
Und das hast du dann beibehalten?
Dann ist es so geblieben. Ich dachte ja auch nicht, dass es mal mein Job wird! Da konnte ja keiner mit rechnen, dass ich damit mal mein Geld verdiene.
Machst du noch etwas mit Philosophie?
Ja, ich schreibe Texte. Die haben oft einen philosophischen Hintergrund, der mehr oder weniger deutlich zu erkennen ist. Es ist so, dass ich es gar nicht unterdrücken kann, mich zum Beispiel mit moralischen Fragen auseinanderzusetzen. Diese setze ich in anderer Art und Weise um, als mit philosophischer Fachliteratur.
Das ist exakt mein Vorsatz gewesen, als ich mich vor elf Jahren dazu entschlossen habe, meine Doktorarbeit auf Eis zu legen und mehr beim Poetry-Slam aufzutreten. Es ging mir vor allem darum, eine Allgemeinverständlichkeit zu erreichen. Ich wollte mit meinen Texten nicht Bücher produzieren, die man nur versteht, wenn man Philosophie studiert hat. Ich glaube es sind drängende Fragen, die in der Philosophie immer noch vorherrschen, mit denen man sich ruhig auseinandersetzen darf.
Und deine Doktorarbeit? Liegt die noch auf Eis?
Die liegt sehr gut auf Eis, sehr sehr sehr gut, bei minus 17 Grad. Aber das ist für mich kein großes Problem. Philosoph, muss man sagen, ist natürlich ein Job, den man auch noch im Alter machen kann. Ich glaube im Moment nicht daran, dass mein Weg mich zurück an die Uni führt. Ich will auch das nicht ausschließen, aber momentan sieht es nicht so aus. Trotzdem machen mir die Themen weiterhin Spaß, sie interessieren mich natürlich, ich lese weiter philosophische Literatur.
Gibt es etwas, was du in deinem Studium gerne getan hättest und nie gemacht hast?
Ja, ein Auslandssemester! Um Himmels willen, macht Auslandssemester! Ich bin die ganze Zeit hiergeblieben. Ich bin sehr glücklicher Freiburger Student gewesen, aber im Nachhinein denke ich, ich hätte ruhig mal ein bisschen mehr die Welt erkunden können.
Was rätst du aktuell Studierenden?
Ich würde immer dazu raten über den Tellerrand hinauszugucken. Die Karriereorientierung nicht komplett aus dem Kopf zu verlieren, auf gar keinen Fall, wenn ihr irgendwie ein Ziel habt, verliert das nicht, ihr seid dem Großteil der Menschheit schon einen Schritt voraus.
Verfolgt das Ziel, aber schaut euch auch gelegentlich auf dem Weg nach links und rechts um, nehmt euch die Zeit, versucht nicht möglichst schnell in das Berufsleben einzusteigen, denn das Einzige wozu das führen wird ist, dass ihr ein Jahr länger arbeiten müsst, bis ihr in die Rente kommt.
Du slammst nicht nur, sondern moderierst auch selbst. Was macht dir mehr Spaß?
Es macht mir generell sehr viel Spaß auf der Bühne zu stehen, ob nun moderierender Weise oder als Slammer oder Solokünstler. Ich halte das für eine sehr dankbare Aufgabe, weil direkt etwas aus dem Publikum zurückkommt, wenn man was Schönes oder was Lustiges sagt. Es ist nicht so eine Aufgabe, bei der man das Gefühl hat „Für wen mache ich das eigentlich?“. Weil die Leute, für die man das macht, sitzen direkt vor einem. Das macht mir sehr viel Freude. Ich würde die Frage die du mir gestellt hast tatsächlich ein bisschen anders stellen, ich würde fragen: Was mir mehr Spaß macht, auf der Bühne stehen oder das Schreiben für die Bühne?
Das auf der Bühne stehen ist die dankbarere Aufgabe. Das Schreiben für die Bühne ist natürlich unerlässlich, um auf die Bühne zu gehen. Gleichzeitig ist es das, von dem ich denke, dass es noch mehr das ist, was ich tun muss, um nicht in meinem Inneren einen Druck entstehen zu lassen, der mich irgendwann explodieren lässt. Weil ich die Sachen rauslassen muss, weil ich so viele Ideen habe und so viele kreative Impulse, dass ich immer schaffend bleiben muss, immer schreiben muss. Das heißt, ich könnte mir tatsächlich eher vorstellen mit dem Auftreten aufzuhören als mit dem Schreiben.
Du hast den Süden vor einer ganzen Weile schon verlassen und lebst mittlerweile im Ruhrgebiet. Was ist dein erster Gedanke, wenn du Freiburg besuchen kommst?
Ich sehe von weitem schon die Berge, die Freiburg umgeben und fühle mich sofort dran erinnert, dass ich während des Studiums nicht nur bei Poetry-Slams aufgetreten bin, sondern auch sehr viel in der Natur war, sehr viel Mountainbike gefahren bin. Diese Naturnähe ist fantastisch. Max Gold hat einmal gesagt, Freiburg ist die Stadt von der man vom Marktplatz im Zentrum der Innenstadt aus ein Stein werfen kann und ein Rotkehlchen im Wald am Kopf treffen kann. Und das trifft es ja tatsächlich. Man muss schon feste werfen aber es könnte klappen, ja.
Info
Die Website von Sebastian23 lautet: www.sebastian23.org
Informationen zu den Studiengängen im Fach Philosophie gibt es hier: www.philosophie.uni-freiburg.de
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