Album der Woche: Der Nino aus Wien – Wach

Album der Woche: Der Nino aus Wien – Wach

In der Late-Night-Show Willkommen Österreich antwortete Der Nino aus Wien einst auf die Frage, warum er seine Konzerten vorzugsweise sitzend verbringt, eloquent, dass man so ja viel weniger leicht umfallen könne. Es sei eine “Schutzmaßname”. Wachheit wäre also wirklich das allerletzte Attribut, das man mit der Inszenierung des sympathischen Austro-Slackers in Verbindung brächte. Und so führt auch der Titel des neuen Albums in die Irre – eine Platte, auf der größtenteils geschlafen und phlegmatisch durch den Tag geeiert wird.

Mit seiner unaufgeregten Melancholie bleibt Nino auch auf “Wach” eine Ausnahmeerscheinung, umringt von der Hype-Maschinerie der FM4schen Popmusik-Szene. Mit dieser scheint er lediglich den Borderline-Alkoholismus zu teilen – Charts-Ambitionen sind ihm hingegen völlig fremd. Dort, wo sich Wanda mit Schlagseite Richtung Bierzelt verabschieden, wählt er bewusst den Weg des kauzigen Eremiten, der zurückgezogen im stillen Kämmerlein die schönsten Gedichte von mindestens Wien in mindestens ebenso schöne Songs verwandelt. Dabei brodelt es nur so an popkulturellen Referenzen; Eine Bar-Romanze endet in einer Fachsimpelei über Textpassagen der Kinks und der Song “Deine Bohème” entpuppt sich als charmante Mundart-Miniatur von “Sad Eyed Lady Of The Lowlands”.

Der Titel “Wach” bleibt dabei das ganze Album über Utopie und Distinktionsstrategie zugleich. Dem gesellschaftlich aufoktroyierten Selbstoptimierungswahn begegnet Der Nino aus Wien mit entwaffnend konsequentem Müßiggang. Nun ist das Nichtstun und der damit einhergehende Sog aus tristen Gedanken eigentlich das Gift jedes Durchschnittsmelancholikers. Doch Nino ist von Durchschnittlichkeit mindestens genau so weit entfernt wie von Abstinenz-Absichten und analysiert das Leben abseits der Karrierewege mit der poetischen Präzision eines André Hellers. Antiheldenhaft meldet er sich freiwillig als Projektionsfläche aller Lethargischen und Immermüden. Es lebe der Schlaf.

von Julian Tröndle

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 11.04.2017, ab 19 Uhr im Soundcheck

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Veröffentlicht am 10. April 2017

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